Betreff
Antrag der SPD-Fraktion zum Einbau von Luftfilteranlagen
Vorlage
2020/00118/
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:


Die SPD-Fraktion hat beantragt, alle Klassen, Turnhallen und gemeinschaftlich genutzten Räume an den Reichshofer Schulen mit Luftfiltern auszustatten. Fördermöglichkeiten sollen geprüft werden.


Technische Systeme:


Es ist zu unterscheiden zwischen reinen Luftfiltersystemen und Raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlagen). Letztere sind nur mit einem immensen baulichen und finanziellen Aufwand herzustellen. Eine entsprechende grundlegende Planung ist unbedingte Voraussetzung. Auch wenn diese über das Förderprogramm „Luftfiltergeräte“ im Herbst 2020 förderfähig wären, ist eine Umsetzung zeitnah zur Unterstützung innerhalb der Pandemiesituation in vorhandenen Räumlichkeiten nicht realisierbar.


Es wird daher davon ausgegangen, dass der Antrag sich auf reine Luftfiltersysteme bezieht.



Empfehlung des Bundesumweltamtes:


Die Empfehlungen des Bundesumweltamtes sind eindeutig und nach wie vor unverändert. Hiernach kann ein Zusatznutzen durch den Einsatz von Luftfiltern mit ansonsten guter Lüftungsmöglichkeit nicht quantifiziert werden. Da der Einsatz von Luftfiltern nicht den Luftaustausch ersetzen kann, wird eine Empfehlung ausschließlich für Räume ausgesprochen, in denen eine ausreichende natürliche Belüftung nicht gegeben ist. Die Geräte beseitigen kein Kohlendioxid, Luftfeuchte, etc. Daher muss auch beim Einsatz der Geräte regelmäßig gelüftet werden.


Ein regelmäßiges Lüften ist ein wirksamer Schutz zur Reduzierung der etwaigen Viruslast. Ein Einsatz von Luftfiltern ist damit nur sinnvoll, wenn eine natürliche Belüftung aus baulichen Gründen nicht erfolgen kann.


Das Bundesumweltamt teilt Schulräume aus Innenraumhygienischer Sicht in drei Kategorien ein:


Kategorie 1: Räume mit guter Lüftungsmöglichkeit (RLT-Anlage und/oder Fenster weit zu öffnen)

Kategorie 2: Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit (Fenster nur kippbar bzw. Lüftungsklappen mit minimalem Querschnitt)

Kategorie 3: nicht zu belüftende Räume


In Kategorie 1 ist der Einsatz von mobilen Luftfiltern nicht notwendig und ein natürliches regelmäßiges Stoßlüften ausreichend.


In Räumen der Kategorie 2 kann als technische Maßnahme die Zufuhr von Außenluft durch den Einbau einfach und rasch zu installierender Zu- und Abluftanlagen erhöht werden. Alternativ ist der Einsatz mobiler Luftreiniger sinnvoll. Fachgerecht positioniert und betrieben ist ihr Einsatz wirkungsvoll, um während der Dauer der Pandemie die Wahrscheinlichkeit indirekter Infektionen zu minimieren.“


Für Räume der Kategorie 2 sind mobile Luftreinigungsgeräte somit, neben der eingeschränkten Lüftung, ein wichtiges Element eines Maßnahmenpakets, die Konzentration virushaltiger Partikel in Innenräumen durch Filtration zu reduzieren oder luftgetragene Viren mittels Luftbehandlungsmethoden (UV-C, Ionisation/Plasma) zu inaktivieren. Es ist zu beachten, dass mobile Luftreinigungsgeräte die Notwendigkeit für das Lüften nicht ersetzen können. Die mobilen Geräte beseitigen nicht die sich in einem Schulraum durch Atmung anreichernde Luftfeuchte, das Kohlendioxid und weitere chemische Gase aus Mobiliar und Bauprodukten. Daher muss auch bei Nutzung mobiler Luftreiniger regelmäßig gelüftet werden.“


Räume der Kategorie 3 sind für den Schulunterricht aus innenraumhygienischer Sicht nicht zu empfehlen.


Diese Aussage gilt weiterhin, auch wenn in den Medien teilweise eine geänderte Bewertung vermittelt wird. Dies bestätigt auch der Städte- und Gemeindebund NRW sowie weitere wissenschaftliche Studien. So ist auf eine Studie des Instituts für Gebäudeenergie, Thermotechnik und Energiespeicherung der Universität Stuttgart zu verweisen. Das Stoßlüften sei zwingend um die Aerosolkonzentration für den Unterricht zu senken. Demgegenüber sei der Einsatz mobiler Luftreinigungsgeräte grundsätzlich nicht zu empfehlen, da diese „aller Voraussicht nach langfristig nicht von den NutzerInnen akzeptiert werden“, weil auf Dauer die Geräuschbelästigung zu groß und die Luftgeschwindigkeit der Raumluftströmung zu hoch sei.



Förderung:


Der Einsatz von Luftfiltern wird nach den oben genannten Empfehlungen nur für Räume gefördert, die keine ausreichende natürliche Lüftung zulassen. Nach Beschluss des Bundeskabinetts soll die Förderung aktuell auf die Räume mit eingeschränkten Lüftungsmöglichkeiten erweitert werden. Bund und Land haben bis heute die genauen Richtlinien für die zu fördernden mobilen Luftfilter noch nicht veröffentlicht. Es liegt noch nichts vor, bis auf eine mündlichen Äußerung im Rahmen einer Videokonferenz, an der die Gemeinde teilgenommen hat, um bei diesem Thema auf dem Laufenden zu sein.


Bisher war die Nutzung von Fördermitteln demnach nicht möglich.



Lüftungssituation in Reichshof:


In den Reichshofer Schulen sind alle Klassenräume gut und umfänglich natürlich zu lüften und somit der Kategorie 1 zuzuordnen.


Lediglich 4 innenliegende Räume in der Gesamtschule, die zu Differenzierungszwecken genutzt werden, verfügen nur über Lüftungsklappen und sind der Kategorie 2 zuzuordnen. Für diese Räume ist die Anschaffung von mobilen Luftreinigern vorgesehen und die entsprechende Anlage bereits bestellt.


Für die Nutzung der Turnhallen wurde bereits im letzten Jahr gemeinsam mit den Schulleitern individuell ein entsprechendes Lüftungskonzept besprochen.


Die Gemeinde hat den Schulen CO2-Messgeräte zur Verfügung gestellt, die die Luftqualität überwachen und auf ein rechtzeitiges Stoßlüften hinweisen. Dauerhaft geöffnete Fenster oder eine dauerhafte Kippstellung gehört dabei nicht zum korrekten Lüftungsverhalten und dies führt wegen der Annäherung der Außen- und Innentemperatur / Klima eben nicht zum erforderlichen Luftaustausch. Dies wurde ausdrücklich mit den Schulleitungen besprochen. Die Anschaffung der Geräte wurde ausdrücklich begrüßt.



Sonstiges:


Mobile Luftreiniger verursachen zum einen Lärm, dieser soll auf 35 dB beschränkt werden. Zum anderen werden aber auch permanente Zuglufterscheinungen produziert, so dass derjenige der näher bei dem Luftfilter sitzt, dies zu spüren bekommt. Der Luftfilter kann aber auch nicht einfach in eine Ecke des Raumes gestellt werden, denn dann ist der Effekt für den gesamten Raum nur noch eingeschränkt. Ob für die Personen, die nahe an dem Filter sitzen müssen, zusätzliche Risiken entstehen, weil die möglicherweise belastete Luft gezielt in kleine Öffnungen gesogen wird, ist nicht klar.


Die Geräte verursachen gravierende Kosten – nicht nur bei der Anschaffung sondern vor allem auch durch den Betrieb, Wartung, Filterwechsel und etwaiger Ersatzbeschaffung.


Wenn die Lüftung wie angeraten durch Stoßlüften alle 20 Minuten für 5 Minuten (alternativ 10/2,5/10) erfolgt, kühlt der Raum nicht so ab, dass die Kinder dauerhaft frieren. Dies ist energetisch ebenfalls wesentlich sinnvoller als ein Dauerkipplüften.


Nicht zuletzt sei erwähnt, dass bei der Herstellung der Geräte und der Filter Rohstoffe verbraucht werden und der CO2 -Fußabdruck/Klimabilanz gravierend negativ beeinflusst wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine natürliche Lüftung sowieso durch nichts zu ersetzen ist.


Eine Abfrage bei den oberbergischen Kommunen hat ergeben, dass ein umfassender Einsatz von Lüftungsgeräten weit überwiegend nicht geplant ist. Nahezu alle Kommunen haben gut lüftbare Räume, die nicht ausgestattet werden. Nur wenige schlecht lüftbare Räume werden bzw. sind bereits entsprechend ausgestattet.



Die Verwaltung kann eine flächendeckende Ausstattung mit Luftfiltergeräten über die Räume der Kategorie 2 hinaus nicht empfehlen.

Anlagen:


Antrag der SPD Fraktion zum Einbau von Luftfilteranlagen

Der Bau-, Planungs-, Verkehrs- und Umweltausschuss berät über den SPD-Antrag vom 09.08.2021.