Betreff
Übergang Asylbewerberleistungsgesetz / SGB II u. XII
Vorlage
2014/00290/
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:


Mit der Zuweisung von Asylbewerbern und Geflüchteten ist für die Gemeinde die Aufgabe der Unterbringung und Versorgung der Personen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) verbunden. Das AsylbLG sieht hier die Unterstützung mit Wohnraum, Hausrat und einer Geld- und / oder Sachleistung vor. Mit der Wahrnehmung der Aufgabe ist u. a. die Anmietung und Betreuung von Gemeinschaftsunterkünften und Mietwohnungen verbunden.


Für die Aufnahme und Unterbringung der Asylbewerber und Geflüchteten stellt das Land NRW unter Kostenbeteiligung des Bundes nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) eine monatliche Kostenpauschale von 866 Euro pro Person zur Verfügung. Während diese Kostenpauschale bis Ende 2016 für eine einmal jährlich festgelegte Zahl von Personen gezahlt wurde, erfolgt seit 01.01.2017 eine personenscharfe Abrechnung.

Nach den Bestimmungen des AsylbLG endet die Gewährung der Kostenpauschale zugunsten der Kommune zum Ende des Monates, in dem den antragstellenden Menschen Asyl oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird. Ansonsten wird die Pauschale längstens für 2 Jahre gewährt. Für Personen, deren Anträge auf Asyl / Flüchtlingseigenschaft abgelehnt wird und deren Ausreise / Abschiebung nach § 60a Asylgesetz ausgesetzt wurde, erhält die Gemeinde bis zur Ausreise / Abschiebung eine Kostenpauschale von lediglich 330 Euro/Person/Monat.

Im Jahr 2015 schloss der Haushalt in den Bereichen Asylleistung, -betreuung und Versorgung mit Wohnraum mit einer Kostenunterdeckung von rd. 730 T€ ab. Dies entsprach einem Kostendeckungsgrad von 72%. Im Abschluss 2016 wird mit einem Defizit von rd. 150 T€ bei einem Kostendeckungsgrad von rd. 95% gerechnet.


Neben der materiellen Versorgung ist insbesondere für die Menschen mit einer Bleibeperspektive die Integration in die Gesellschaft wichtig. Die Integrationsaufgabe wird von einer Mitarbeiterin und zwei Mitarbeitern der Verwaltung (2,5 Vollzeitstellen) und mit außerordentlich großer und engagierter Unterstützung der Flüchtlingshilfe Reichshof wahrgenommen.


Das Integrationsgesetz des Bundes von 2016 fördert die Integration in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt im Wesentlichen durch eine Ausbildungsförderung, einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt und in diesem Zusammenhang auch durch Rechtssicherheit beim Aufenthaltsstatus. Der Schwerpunkt der täglichen Aufgabenwahrnehmung und der Integrationsleistungen liegt jedoch vor Ort in den Kommunen. Für eine gelingende Integration brauchen die Kommunen eine ausreichende finanzielle Unterstützung. Dies ist zurzeit noch nicht gegeben.

Der Bund zahlt den Bundesländern in den Jahren 2016 bis 2018 jeweils eine Integrationspauschale von 2 Mrd. Euro. Hiervon entfallen pro Jahr 434 Mio. Euro auf NRW, die jedoch von der Landesregierung nicht an die Kommunen weitergegeben werden. Für eine gelingende Integration brauchen die Kommunen aber eine ausreichende finanzielle Unterstützung.


Im Lichte der bisherigen Aufgabenwahrnehmung und Finanzierung haben sich ab Dezember 2016 / Januar 2017 erhebliche Veränderungen ergeben, die nicht nur die Aufgabenwahrnehmung, sondern auch deren Finanzierung beeinflussen:



  1. Wohnsitzauflage

Seit Dezember 2016 sind Menschen denen Asyl oder die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde nach dem Aufenthaltsgesetz verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in dem Land ihren gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens oder im Rahmen ihres Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden sind.

Die Landesregierung hat diese Verpflichtung durch Verordnung so ausgestaltet, dass die Menschen mit Hilfe eines Integrationsschlüssels als Verteilungskriterium den einzelnen Kommunen zugewiesen werden. Für die Kommunen besteht eine Aufnahmeverpflichtung. Die Wohnsitzauflage soll der besseren Integration dienen.


  1. Personenscharfe Abrechnung

Ab dem 01.01.2017 wird den Kommunen in NRW nur noch monatsweise die Kostenpauschale von 866 Euro pro anspruchsberechtigter Personen nach dem FlüAG zur Verfügung gestellt. Das heißt, dass die Kommunen monatlich personenscharf Meldungen durchführen müssen. Ein nicht unbeträchtlicher Aufwand.


  1. Rechtskreiswechsel vom AsylbLG zum SGB II + XII

Anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder subsidiär Schutzberechtigte sind nicht mehr leistungsberechtigt im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), sondern im Zweiten und ggfs. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II + XII).

Das bedeutet, dass die Zuständigkeit für die Versorgung durch das örtliche Jobcenter übernommen wird. Die anerkannten Asylberechtigten etc. sind selbst für ihre Unterbringung verantwortlich. Sie müssen sich selbst mit Wohnraum versorgen.



Was bedeutet dies für die Gemeinde Reichshof?

Der große Zustrom von Asylbewerbern und Geflüchteten in die Bundesrepublik Deutschland hat deutlich nachgelassen. Deshalb erfolgen nur noch vereinzelt Zuweisungen. Darüber hinaus werden keine Asylbewerber/Geflüchteten ohne jede Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt.

Somit werden der Gemeinde Reichshof im Wesentlichen nur noch Personen mit Wohnsitzauflage und Härtefälle (Einzelfallprüfung) zugewiesen. Wegzüge erfolgen durch freiwillige Ausreise und durch Abschiebungen. Bis Ende 2017 wird damit gerechnet, dass sich die derzeit rd. 330 Personen in der Anzahl auf rd. 200 verringern könnten. Gleichzeitig wird sich die zahlenmäßige Aufteilung in „Anerkannte“ und „Personen ohne Bleibeperspektive“ deutlich verschieben. Während im Januar 2016 von rd. 400 Asylbewerbern/Geflüchteten sich fast alle im Asyl- bzw. Anerkennungsverfahren befanden, so hatten im Januar 2017 bereits rd. 170 Personen eine Anerkennung und rd. 200 Personen waren noch im Verfahren. Nach der Prognose der Verwaltung könnte sich die Zahl der Anerkannten weiter steigern.

In der Folge werden immer mehr Menschen in die Leistungszuständigkeit des örtlichen Jobcenters übergehen; aber auch selbst für die Wohnraumbeschaffung zuständig sein.

Gerade jedoch die Selbstversorgung mit Wohnraum funktioniert nicht. Der Wohnraum ist begrenzt und die Integration ist im Regelfall noch nicht so weit fortgeschritten, dass der eigenständige Abschluss eines Mietvertrages geschafft werden kann. Damit verbunden ist auch die Anmeldung bei den Versorgern, der Telekommunikationsunternehmen, der Beantragung von Renovierungsbeihilfen usw. Auch ein Ausweichen auf die Nachbarkommunen ist wegen der Wohnsitzauflage im Regelfall nicht möglich.

Um Obdachlosigkeit zu vermeiden, bleiben die anerkannten Asylbewerber/Geflüchteten bis auf Weiteres in ihren bisherigen Unterkünften. Die Betreuung erfolgt weiterhin im Wesentlichen durch die Abteilung Soziales und darüber hinaus auch durch das Gebäudemanagement und die Abteilung Sicherheit u. Ordnung.

Darüber hinaus ist mit dem Rechtskreiswechsel in das SGB II die Integration noch lange nicht abgeschlossen. Die Gemeinde / die Flüchtlingshilfe hat sicher viele Grundlagen geschaffen, auf denen die weitere Integration stattfinden muss. Der nächste Integrationsschritt ist mit dem Wechsel ins Jobcenter der Eintritt in den Arbeitsmarkt. Dazu müssen die Geflüchteten allerdings sprachlich schon sehr gut vorbereitet und sehr selbständig sein. Vielfach ist dies bei einem Wechsel ins Jobcenter noch nicht gegeben.

Mit den monatlich durchzuführenden personenscharfen Meldungen der noch nicht anerkannten Personen werden zukünftig deutlich geringere Summen aus den Kostenpauschalen vom Land NRW gewährt. Der Kostendeckungsgrad der Refinanzierung des gemeindlichen Aufwandes für die Unterbringung und Betreuung durch das Land NRW wird im Laufe des Jahres 2017 deutlich geringer werden.

Diese Problematik ist mit Blick auf die Einhaltung des Haushaltssicherungskonzeptes zu diskutieren. Die Frage: Wie viel Integration kann und soll die Gemeinde Reichshof für die durch das Jobcenter betreuten Menschen leisten? Welche Einflüsse ergeben sich auf die Personalbemessung für diese Aufgaben?


Der Schul-, Sozial-, Jugend- und Sportausschuss berät über den mit der Integration der anerkannten Asylbewerber und Geflüchteten zusammenhängenden Wechsel des Rechtskreises weg vom Asylbewerberleistungsgesetz (Gemeinde) und hin zum Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Jobcenter des Kreises) und der damit verbundenen finanziellen Folgewirkungen.