Betreff
Ausarbeitung zur Kennzahlenbildung
Vorlage
2009/00100/
Art
Beschlussvorlage

Sachverhalt:


Grundsätzliches

Die weitgehende Einigkeit über die Schwachstellen des althergebrachten Haushalts- und Rechnungswesens hat zu einem Reformprozess geführt, der zumindest auf der Ebene der Kommunalverwaltungen in Nordrhein Westfalen mit dem Gesetz über die Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements (NKF) eine Haushaltswirtschaft nach den Regeln der doppelten Buchführung (DOPPIK) brachte. Mit einer vierjährigen Übergangsphase (2005 bis 2009) wurde die komplette Umstellung vollzogen.


Primär ging es bei der Reform nicht um den Wechsel des Buchführungsstils. Das eigentliche und bereits seit Anfang der 90er-Jahre verkündete Ziel war die Steuerung der Kommunen durch die politischen Gremien und die Verwaltungsführung zu verbessern. Hierzu sollte das NKF durch bis dahin nicht verfügbare steuerungsrelevante Daten, aber auch durch die Art der Aufbereitung (Berichtswesen) der verschiedenen Informationen beitragen.

Als Steuerungselemente sind beispielsweise die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR), die Budgetierung, Berichte, Kontrakte oder die Produkthaushalte zu nennen.


Die Gemeinde Reichshof hat in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich an dem Ziel einer verbesserten Steuerung gearbeitet. Neben der bereits Mitte der 90er Jahre vollzogenen Ausrichtung der Verwaltung auf eine fachbereichsbezogene Organisationsstruktur und der dazu passenden eindeutigen Ausschusszuordnung wurde nach der zum 01. Januar 2005 vollzogenen Umstellung auf das doppische Rechnungswesen im September 2007 das Leitbild der Gemeinde Reichshof beschlossen.

Nach der Umstellung auf das doppische Rechnungswesen wurde von Anfang an das Ziel verfolgt, auf der erarbeiteten NKF-Basis ein kennzahlenbasiertes Steuerungs- und Berichtssystem aufzubauen. Damit soll die Entwicklung der Gemeinde Reichshof in Richtung zukünftiger Ziele beeinflusst werden.


Nach § 12 "Ziele, Kennzahlen der Zielerreichung" der doppischen Gemeindehaushaltsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen heißt es nämlich:


Für die gemeindliche Aufgabenerfüllung sollen produktorientierte Ziele unter Berücksichtigung des einsetzbaren Ressourcenaufkommens und des voraussichtlichen Ressourcenverbrauchs festgelegt sowie Kennzahlen zur Zielerreichung bestimmt werden. Diese Ziele und Kennzahlen sollen zur Grundlage der Gestaltung der Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle des jährlichen Haushalts gemacht werden.


Wer heute verneint, dass das NKF zu einer neuen Kultur der Steuerung geführt hat, dem ist aus Sicht der Verwaltung zu antworten, dass mit der Verabschiedung der NKF-Gesetze allen Beteiligten eigentlich klar war, dass die Umsetzung der Steuerungsvorgaben, wie z. B. im vorgenannten § 12 GemHVO, einerseits einer gewissen Erfahrung im doppischen Rechnungswesen bedarf und andererseits die technischen Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um mit vertretbarem Zeit- und Sachaufwand eine Steuerung mit Zielen und Kennzahlen durchführen zu können.

Die Reform des kommunalen Haushaltsrechts hat vom konzeptionellen Beginn bis hin zum Gesetz in NRW mindestens 20 Jahre gebraucht, so dass man nun auch in der Entwicklung der Ausführung Geduld und Ausdauer beweisen muss.


Seit Einführung des NKF in Reichshof hat sich der Bereich "Berichte und Kennzahlen" langsam mitentwickelt. Diese Entwicklung war bisher fast ausschließlich darauf gerichtet, die internen Arbeitsberichte zur Erlangung von Budgetübersichten, die Auswertung von Finanz- und Anlagebuchhaltung, die Erstellung von Mittelanforderungen etc. zu verbessern.

Nach außen hin sichtbar waren lediglich die seit 2007 im Haushaltsplan dargestellten Kennzahlen, wie z. B. Kosten je Einwohner, Kosten je Schüler etc.

Ebenfalls im Hintergrund wurde gemeinsam mit der civitec (ehemals GKD Siegburg) an einem automatisierten Berichtswesen gearbeitet, das mittelbar Daten aus der SAP - Buchführungssoftware bezieht, um in gewissen zeitlichen Abständen über Finanzentwicklungen berichten und interne Kenzahlen darstellen zu können.

Des Weiteren ergab sich Anfang des Jahres 2010 ein Kontakt zu einer Firma, die "Interkommunale Vergleichssysteme" betreibt. Mit der Fa. IKVS wird nach einer überzeugenden Darstellung eine Zusammenarbeit vereinbart.


Nachdem nun

  • eine mehrjährige Erfahrung mit der doppischen Haushaltswirtschaft vorliegt,

  • das Leitbild der Gemeinde Reichshof im September 2007 beschlossen wurde,

  • die Jahresabschlüsse bis einschließlich 2007 testiert sind und der Abschluss 2008 in der Prüfung ist,

  • die Berichterstellung und -gestaltung weitestgehend automatisiert möglich ist und

  • eine interkommunale Vergleichbarkeit angestrebt wird,



möchte die Verwaltung dies zum Anlass nehmen und vorschlagen, konkret mit der Bildung von Kennzahlen zu beginnen und nach deren Bildung über deren weitere Entwicklung in den zuständigen Fachausschüssen und / oder dem Gemeinderat zu berichten.



  1. Projektgruppe

Zum Start der konkreten Arbeiten wird im Gemeinderat

  • der Standardbericht aus Business Objects Web Intelligence (Anlage I) und

  • die Interkommunale Vergleichssystemarbeit mit IKVS


vorgestellt.


Für sinnvoll wird angesehen, mindestens drei und maximal sechs Produktgruppen - möglichst aus der Zuständigkeit verschiedener Fachausschüsse – auszuwählen, um diese Produktgruppen mit einer Zielsetzung im Sinne des Leitbildes und dementsprechenden steuerungsrelevanten Kennzahlen auszustatten.


Zur weiteren Realisierung sind mehrere Wege denkbar:

Es bildet sich eine kleine interfraktionelle Projektgruppe, die gemeinsam mit der Verwaltung die Auswahl der Produktgruppen vornimmt und die Kennzahlen entwickelt.

Anhand des Haushaltsplanes wählen die Ratsvertreter – ggfls. als Fraktion – eigenständig die Produktgruppen aus und bilden die dazu gehörenden Kennzahlen gemeinsam mit der Verwaltung.

Die Ratsvertreter arbeiten mit Hilfe einer zu fertigenden Projektbeschreibung alles alleine aus und teilen der Verwaltung das Ergebnis zur zukünftigen Berichterstattung mit.

Die Verwaltung arbeitet alles alleine aus und teilt den Fachausschüssen / dem Rat das Ergebnis zur zukünftigen Berichterstattung mit.


Im Sinne einer vollständigen Identifikation beider Seiten - also Rat und Verwaltung - mit dem zukünftigen Berichtswesen wird empfohlen, die arbeitsaufwändigste Variante a) auszuwählen.



Projektarbeit

Aus Sicht der Verwaltung scheint es ratsam, die Umsetzung zunächst auf wenige Bereiche und dort auch nur auf die Ebene der Produktgruppe zu beschränken, um für die weitergehende Umsetzung Erfahrungen zu sammeln.


Die konkrete Auswahl der Produktgruppen ist ein wichtiger Einflussfaktor für den angestrebten Projekterfolg.

Kriterien für die Auswahl der Produktgruppen sind die Verfügbarkeit / Existenz von belastbarem Kennzahlenmaterial und der Einfluss auf die positive Gestaltung der strategischen Ziele.


Die Umsetzung der wirkungsorientierten Steuerung lebt von Anfang an von der Akzeptanz des Projektes bei allen Beteiligten.


Die grundsätzliche und übergeordnete Strukturierung der Kennzahlen in einem Bericht könnte lauten:

Mitteleinsatz

Ordentliches Ergebnis

Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen


Leistung

Output

Ergebnis


Wirkung

Strategisches Ziel ........


Für jede Produktgruppe ist darzustellen, mit welchem Mittel- und Ressourceneinsatz in dem betreffenden Haushaltsjahr gearbeitet werden soll. Zudem ist anzugeben, welche Leistung erzielt werden soll. Abschließend ist zu beschreiben, welche Wirkung in Bezug auf die bereits vorhandenen strategischen Ziele (Leitbild, Produktgruppenbeschreibung) erwartet wird.



Der Mitteleinsatz als Finanzkennzahl enthält als erstes das Ordentliche Ergebnis aus Zeile 22 des Teilergebnisplanes als Saldo aus Erträgen und Aufwendungen. Als zweites werden die internen Leistungsbeziehungen, wie z. B. die Leistungen der Fachabteilung, der Bauhofeinsatz etc., abgebildet.


Die Leistungskennzahl hängt individuell von der jeweiligen Produktgruppe ab. Der jeweilige Output einer Produktgruppe soll betrachtet werden. Das zu messende Ergebnis der Leistung soll ebenfalls dargestellt werden.


Die Wirkungskennzahlen richten sich nach den definierten strategischen Zielen der Kommune. Für jede Produktgruppe ist aufzustellen, inwiefern die strategischen Ziele messbar und nachvollziehbar unterstützt werden.


Beispiel:



Der Handlungsrahmen unseres Leitbildes:

  • Wir sind in ausgewählten Bereichen besser als unsere Nachbargemeinden.“

  • Wir streben einen dauerhaft ausgeglichenen Haushalt an und bauen unsere

  • Schulden weiter kontinuierlich ab.“

  • Im Interesse unserer Bürger steht das „wirtschaftliche Handeln“ bei allen

  • Entscheidungen im Vordergrund.“

  • Hieraus kann abgeleitet werden, dass wir uns dem demographischen Wandel und vor allem der stetig sinkenden Einwohnerzahl in der Weise stellen möchten, dass wir entsprechend der Kernaussagen des Leitbildes „Arbeitsplätze schaffen“, „die Bürger sich wohl fühlen“, „die Umwelt gesund ist“ und „Bildungsangebote zur Verfügung stehen.“

  • Konkret sieht die Formulierung im Leitbild vor, dass wir durch die Förderung von Familien erreichen, dass „die Bürger sich wohl fühlen.“

  • Umgesetzt wird die Familienförderung in der Produktgruppe „1.52.06 Wohnraumsicherung und –versorgung.“ In einem Planansatz werden 100.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Aufwendungen aus interner Leistungsverrechnung betragen 15.991 Euro.

  • Als Ziel der Produktgruppe wurde u.a. formuliert:

  • Aufgrund der demographischen Entwicklung werden im Gemeindegebiet Reichshof attraktive Wohnorte mit Arbeitsplatz- und Bildungsangeboten geschaffen, um im Konkurrenzkampf der Kommunen um Familien mit Kindern bestehen zu können.

  • Die Verwaltung unterstützt Familien in ihrem Streben nach einem Eigenheim auf einem Baugrundstück der Gemeinde.

  • Mitteleinsatz

    • 100.000 Euro (als Ordentliches Ergebnis)

    • 15.991 Euro (als Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen)

    • Leistung

    • 55.000 Euro (als Output)

    • 4 Familien mit 11 Kindern wurde die Zulage gewährt (als Ergebnis)

    • Wirkung

    • Der Anteil der Altersgruppe 6- bis unter 10-Jährigen an der gesamten Einwohnerschaft der Gemeinde Reichshof wird entgegen dem Trend der Jahre 2006 bis 2008 (-0,4%)1) sich nur noch um 0,2 % und nicht wie prognostiziert um 0,6% verringern (als Strategisches Ziel den Alterungsprozess der Einwohnerschaft in Reichshof zu verlangsamen)



Für den Fall, dass eine interfraktionelle Projektgruppe gebildet wird, sollte in einer ersten Projektgruppensitzung mit der Verwaltungsführung neben allgemeinen Informationen lediglich die Auswahl der Produktgruppen im Vordergrund stehen.

In einer oder mehreren folgenden Projektgruppensitzungen unter Beteiligung der jeweils produktverantwortlichen Abteilungsleiter(in) / Sachbearbeiter(in) könnte die Kennzahlenbildung und die dazu erforderliche Verfügbarkeit bzw. Beschaffung des Datenmaterials besprochen werden.



  1. Ergänzende Hinweise


Die angestrebte interkommunale Vergleichbarkeit wird nicht in der Weise zu realisieren sein, dass man eine Tabelle aufruft, sich mehrere Kommunen in der vergleichbaren Produktgruppe ansieht und damit abschließend den Stellenwert der eigenen Produktgruppe beurteilen kann.


Der interkommunale Vergleich wird immer mit wenigstens zwei Fragen verbunden sein:


  1. Wie haben die Benchmarking-Partner die bilanziellen Bewertungs- und Ermessensspielräume genutzt?


  1. Haben die Benchmarking-Partner interne Leistungsbeziehungen über eine Kosten- und Leistungsrechnung2) abgebildet und falls ja, wie?


Zur Herstellung einer Vergleichbarkeit wird es in den meisten Fällen erforderlich sein, erst die vorgenannten Fragen im Rahmen einer Vergleichsringarbeit zu beantworten.



Fußnote:

1) Beitrag zur Kreisentwicklung (Ausgabe 2/2010; Beilage zum Demographiebericht für den Oberbergischen Kreis); Gemeindeporträt Reichshof :

  • Anteil der 6-bis unter 10-Jährigen 2006 5,0%

  • Anteil der 6-bis unter 10-Jährigen 2008 4,6%

  • Anteil der 6-bis unter 10-Jährigen 2015 4,0%


2) Interne Leistungsbeziehungen (§ 17 GemHVO) tragen dem Umstand Rechnung, dass der gesamte Ressourcenverbrauch einer Kommune nicht immer direkt in die Produkte fließt, sondern auch interne Dienststellen Leistungen von anderen Dienststellen abrufen.

Da interne Leistungsbeziehungen innerhalb der doppelten Buchführung nicht dargestellt werden können, da ihnen kein nach außen gerichteter Geschäftsvorfall zu Grunde liegt, werden sie in der Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) abgebildet. Die KLR ist ein intern geführtes Instrument des Rechnungswesens einer Kommune und unterliegt keiner Offenlegungsverpflichtung.

Die für die KLR maßgebliche Vorschrift in § 18 GemHVO gibt den Kommunen die Befugnis, die KLR nach eigenen Bedürfnissen zu führen und deren Ausdehnung auf den Haushalt zu bestimmen.


C:\somacos\doc\00018290.odt



Beschlussvorschlag:


Der Gemeinderat nimmt die Ausarbeitung zur Kennzahlenbildung und zum Berichtswesen entgegen und berät über die weitere Vorgehensweise zur Bildung von Kennzahlen sowie deren Darstellung in einem Berichtswesen.