Beschluss: ungeändert beschlossen

Sachverhalt:

1. Ausgangslage

Die Zahl der Flüchtlinge ist in den Jahren 2015 bis 2017 stark angestiegen. In diesem Zusammenhang wurden 2 Sozialarbeiterstellen geschaffen. Diese sind mit Frau Storat und Herrn Schwarzenberger zu jeweils 30 Wochenstunden (0,77 Stelle) besetzt. Sie betreuen insgesamt 164 Flüchtlinge, die bei der Gemeinde im Leistungsbezug sind. Dazu kommen 22 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die in der nächsten Zeit von der Gemeinde Reichshof betreut werden müssen. Aber auch Flüchtlinge mit Aufenthalt müssen oft weiter betreut werden.


240 Flüchtlinge haben bereits Aufenthalt, davon erhielten 64 Personen eine Wohnsitzauflage, d.h. die Verpflichtung den Wohnsitz für die nächsten 3 Jahre in Reichshof zu nehmen. Aber auch Flüchtlinge ohne diese Auflage wohnen noch in Reichshof. Viele Flüchtlinge haben nach der Anerkennung den Rechtskreiswechsel ins SGB II vollzogen. Insofern haben sich die die Anforderungen an die Flüchtlingssozialarbeit erheblich verändert. In den Jahren 2015/2016 hatten Unterbringung und Erstorientierung Priorität.


2. Istzustand


2.1 Sprachkurse / Arbeit

Eine frühe Versorgung seitens der Gemeinde war und ist erklärtes Ziel als ein Baustein gelingen­der Integration. 33 Flüchtlinge sind in Arbeit, beruflicher Einstiegsqualifizierung, Praktika. 85 von ihnen waren bzw. sind in Integrationskursen, die meisten in KompAS (Kombination Sprache und Arbeitsorientierung), davon nur 7 Frauen! Die Frauen können aufgrund der mangelnden Betreuung für Babys und Kleinkinder nicht an Sprachkursen teilnehmen. Oft sind auch die Kinderbetreuungszeiten zu kurz, da aufgrund der schlechten Verkehrsanbindung der Betreuungsumfang für Fahrzeiten und Sprachkurs nicht ausreicht.


2.2 Wohnsitzauflage

Insgesamt wird die Situation verschärft durch die Ausländer-Wohnsitzregelungsverordnung für NRW, die am 29.11.2016 in Kraft getreten ist. Derzeit sind 58 Personen zur Erfüllung der Quote angekündigt, diese Zahlen können sich jederzeit nach oben bewegen. 5 Tage vor der Zuweisung erfolgt die Information, an welchem Tag die Flüchtlinge ankommen sollen. Nur Name und Geburtsdatum sind bekannt. Es liegen keine Informationen vor über gezahlte Leistungen im Monat des Wechsels oder über eine Familienzusammenführung (dann könnte bereits Wohnraum vorhanden sein). Im Regelfall sind die hier ankommenden Personen obdachlos, somit liegt die Zuständigkeit beim Ordnungsamt. Für die Sicherung des Lebensunterhaltes ist das Jobcenter zuständig, da die Wohnsitzauflage nach Erteilung des Aufenthaltsrechtes erfolgt. Wegen fehlender Sozialarbeiter im Ordnungsamt und Jobcenter wird die Abteilung Soziales weiterhin tätig werden.


2.3 Übergang unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

Unbegleitete Minderjährige werden zunächst durch das Jugendamt des OBK in Obhut genommen. Im Rahmen dieser vorläufigen Inobhutnahme werden sie bei einer geeigneten Person oder in einer geeigneten Einrichtung untergebracht. Unterbringung, Versorgung – hierzu gehört auch die sozialpädagogische Begleitung und Betreuung, Gesundheitsversorgung sowie Rechtsberatung – werden sichergestellt. In der Regel erlöschen diese Leistungen mit der Volljährigkeit. In den nächsten Monaten werden 22 Personen wegen Erreichen der Altersgrenze von der Obhut des Jugendamtes zur Gemeinde Reichshof wechseln. Aufgrund der 24-Stunden-Betreuung in Einzelzimmern ist von massiven Problemen beim Wechsel in eine Sammelunterkunft der Gemeinde Reichshof mit nur noch maximal wöchentlicher Betreuung zu rechnen.


2.4. Schule und Kindergarten

Fehlende Kapazitäten in der Gesamtschule und den Kindergärten kommen immer wieder vor. Das Ausweichen auf eine andere weiterführende Schule oder einen weiter entfernten Kindergarten gestaltet sich aufgrund der fehlenden Mobilität und der meist schlechten Verkehrsanbindung als problematisch. Weiterhin ist ungeklärt, ob eine Begleitung bei der Anmeldung von zugewiesenen Personen mit Wohnsitzauflage aufgrund fehlender Zuständigkeit von der Abteilung Soziales durch die Sozialarbeiter erfolgen muss oder kann.


2.5 Jobcenter

Viele Flüchtlinge haben nach der Anerkennung den Rechtskreiswechsel ins SGB II vollzogen. Sie suchen aufgrund der Ihnen bekannten Menschen bei der Abteilung Soziales immer wieder Hilfe, insbesondere bei den Sozialarbeitern. Hilfestellungen sind oft nötig beim Antragsverfahren und der Arbeitsplatzsuche. Auch Flüchtlinge mit Wohnsitzauflage benötigen in der Regel diese Hilfen.


2.6 Wohnraum

Aufgrund des Wohnungsmangels leben Flüchtlinge immer noch über lange Zeiträume in Gemeinschaftsunterkünften. Die Wohnungssuche ist sehr schwierig, weil preisgünstige Wohnungen fehlen. Wohnraum findet sich vor allem in den Ortsteilen, in denen die Mieten moderat sind, da viele Flüchtlinge in den Rechtskreis des SGB II wechseln und die Angemessenheitskriterien der Kosten der Unterkunft zu beachten sind. Auf diese Weise verstärkt die Zuwanderung von Flüchtlingen die sozialräumlichen Ungleichheiten. Ist dann doch endlich Wohnraum gefunden, fehlt Hilfestellung für den Umzug.


2.7 Familiennachzug

Auch hier liegt keine Zuständigkeit der Abteilung Soziales vor, obwohl auch hier viele Behördengänge und Anmeldungen seitens der Flüchtlinge erfolgen müssen.


2.8 Mobilität

Aufgrund der besonderen Struktur in der Gemeinde Reichshof stellt die Mobilität für die Flüchtlinge eine Herausforderung dar. Aufgrund der dezentralen Unterbringung in einer großen Flächengemeinde ist die Vor-Ort-Betreuung durch die Sozialarbeiter sehr zeitaufwändig.


2.9 Änderung der Sozialarbeit

Während in den Jahren 2015/2016 Aufnahme und Erstorientierung Priorität hatten, haben sich die Anforderungen inhaltlich sehr verändert. Nunmehr stehen Fragen des alltäglichen Lebens im Vordergrund: Schule, Sprachkurse, Jobcenter/Arbeit, Familie, Freizeit usw. Vor allem psychosoziale Probleme nehmen zu!



3. Folgen bei fehlender Integrationsarbeit / sozialer Arbeit


  • Abbrüche Sprache / Schule / Job

  • Zunahme der Abhängigkeit von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen bzw. Verbleib im System

  • Zunahme ethnischer Konzentrationen auf dem Wohnungsmarkt

  • Ghettoisierung / Entstehen von Parallelgesellschaften

  • Isolation durch fehlende Integration

  • Einrichtungen und Institutionen wie z. B. Kindertageseinrichtungen, Schulen, OGS usw. benötigen Planungssicherheit für integrationspolitische Maßnahmen

  • Probleme bei Nichteinhaltung von Regeln wie Schulpflicht, Termine (insbesondere BAMF), Ausweisverlängerungen, Antragsstellungen etc.

  • anhaltende Sprachprobleme, aufbauender Spracherwerb muss selbst organisiert werden

  • Zunahme von abweichendem Verhalten (Sucht-, Drogen-, Gewalt- und/oder Kriminalitätsproblematiken)

  • ausbleibende Identifikation mit dem Aufnahmeland - auch im Generationenverlauf


4. Lösungsansätze unabhängig vom Aufenthaltsstatus (Integrationskonzept!)

  • der weitere Spracherwerb sollte begleitet werden

  • alle in dem Bereich der Integration von zugewanderten Menschen aktiven Organisationen müssen sich miteinander vernetzen und ihre Aktivitäten koordinieren („Doppelstrukturen vermeiden“)

  • Hilfestellungen bei Anmeldungen/Anträgen/Behördengängen

  • Einhaltung von Regeln wie Gesetze, Schulpflicht, Termine, Ausweisverlängerungen etc.

  • Arzttermine vereinbaren und sich verständigen (Fachärzte sind oft unbekannt)

  • Förderung der aktiven bürgerschaftlichen Beteiligung von Zugewanderten am gesellschaftlichen und politischen Leben im Kreis und der Gemeinde

  • Vermittlungs- und Unterstützungsansätze für Wohnraumsuche müssen verstärkt werden

  • Einrichtung einer zusätzlichen Sozialarbeiterstelle



5. Finanzielle Folgen


Da die pauschale finanzielle Unterstützung der Kommunen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz fast ausschließlich für die sich noch im Anerkennungsverfahren befindenden Personen gewährt wird, die Integrationspauschale (434 Mio. Euro p.a.) des Bundes nach wie vor vom Land NRW nicht an die Kommunen weitergeleitet wird und das Jobcenter weder Sozialarbeit leistet noch vergütet, sind die Kosten der Stellenaufstockung von rund 50.000 Euro (1,0 Stelle) komplett von der Gemeinde zu finanzieren.


Im Haushaltsentwurf 2018 sind die beiden bisherigen Stellen jeweils als 1,0 Stellen geplant, werden aber nur als je 0,77 Stellen aufgrund der individuellen Lebensplanung der Stelleninhaber fortgeführt. Somit würde sich der Planungsaufwand für eine neue Stelle auf einen Anteil von 0,54 (rund 27.000 Euro) begrenzen.



Der Schul-, Sozial-, Jugend- und Sportausschuss / der Haupt- und Finanzausschuss empfiehlt / der Rat beschließt, eine zusätzliche, zeitlich auf 2 Jahre befristete Sozialarbeiterstelle einzurichten.


Es wird folgender Beschluss gefasst:

Der Rat beschließt, eine zusätzliche, zeitlich auf 2 Jahre befristete 0,54 Sozialarbeiterstelle einzurichten.


Ratsmitglied Funke teilt mit, dass der Schul-, Sozial-, Jugend- und Sportausschuss einen einstimmigen Empfehlungsbeschluss gefasst hat.


Bürgermeister Gennies teilt mit, dass der Haupt- und Finanzausschuss ebenfalls einen einstimmigen Empfehlungsbeschluss gefasst hat.


Er ruft zur Abstimmung auf.


Abstimmungsergebnis:


Dafür:

28

dagegen:

0

Enthaltung:

0